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Es scheint mir, dass echte Abstraktion in der zeitgenössischen Kunst immer seltener zu sehen ist. Natürlich begegnet einem beim Gang durch die Ausstellungshäuser, beim Blättern durch die mehr oder minder ernsthaften Szenegazetten ein enormes Konvolut an Abstraktionen und jede noch so kleine Stadt hat ihre Streifen/Kreise/Kästchenmaler. Doch gerade in diesem unüberschaubarem Umfeld an formalen Fragestellungen, konstruktivistischen Kompositionen und monochromen Mehrheitspaletten beginne ich mich darüber zu wundern wie gleichwertig doch bei längerer Betrachtung all die Kunst zu werden scheint. Und ich frage mich wie das sein kann, das ich keinen qualitativen Unterschied mehr erkennen kann zwischen den Materialbildern und aquarellierten Farbverläufen manch eines „Sonntagsmalers“ und den zu hohen Preisen gehandelten Öl und Akrylvariationen in Rot, Gelb oder Blau. Vielleicht liegt es daran, dass es sich in beiden Fällen um den Versuch handelt sich über die Ästhetik der Abstraktion zu nähern. Die Erzeugung eines bestimmten Klangs, der die gewünschte Resonanz erzeugt durch die das Werk in der Abstraktion verankert wird. Wobei die Möglichkeit dieser Resonanz an eine Reihe von formalen Bedingungen geknüpft ist. Sind diese Bedingungen erfüllt schwingt der Raum. Was dabei aber passiert ist, das das bloße Abhaken dieser formalen Bedingungen zu einem Katalog führt, einem Kanon an Stilelementen, der - richtig eingesetzt - die Abstraktion ergibt. Das Schnittmuster für die abstrakte Kunst.
In dieser Hinsicht lässt sich vielleicht sogar behaupten, dass es keine abstrakte Kunst mehr gibt. Da die sich wiederholenden Stilelemente dazu führen, das die Kunst nicht nur beliebig wird, sondern darüber hinaus abbildend ja figurativ. Die Abstraktion beginnt die Abstraktion abzubilden.

 

Sebastian Biskup - Serielles Gedächtnis, Salon Verlag 2011

 

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